Meine Lieben,

 

Kinder, Kinder, kennt ihr das Gefühl, wenn einen das Leben wieder strenger behandelt, als es unbedingt nötig wär’? Wir können offen sprechen, nicht wahr? Ein maßlos peinliches Malör krönte mein letztes Wochenende, mein Gesicht ist ja jetzt noch schamesrot, und wenn ich dran denke, steigt mir sofort wieder die nervöse Achselnässe in die Bluse. Immerhin liess es mich aber den Entschluss fassen, heute mutig ein ernstes Thema anzusprechen: den Rausch.

 

Ich mache an dieser Stelle absichtlich eine kleine Kunstpause, um euch die Bedeutungsschwere dieser Angelegenheit präsidial ins Bewusstsein zu rufen. Doch erst zu meinem „Zwischenfall“:
Letzten Sonntagabend war ich zu einem sommerlichen Gartenfest im kleinen Rahmen eingeladen. Bei wem spielt hier keine Rolle – ich versuche selbst intensiv, es zu vergessen. Und weil man sich im Sommer ja gerne etwas mediterran gibt, nicht wahr, wurde diese leckere spanische Fruchtbowle als Erfrischung gereicht, Sangria oder so. Ich bin ja mit diesen alkoholischen Sachen immer etwas vorsichtig, seit ich mich letzte Weihnachten an Agathes Nusslikör fast ins Delirium genippt hab, du liebe Zeit! Drum dachte ich mir an jenem Abend, machste mal halblang, trinkst Sprudel und nimmst vom Spanier bloss die kleinen Früchte, die sind ja eigentlich eh das beste vom Ganzen. Dachte ich mir, gell. Aber als ich - in bester Absicht - so ca. 20 Stück von diesen blass aufgedunsenen Erdbeeren und Orangenscheibchen genascht hatte, da wurde mir ja plötzlich ganz anders, kann ich euch sagen.

 

 

 

 


 


Mit dem Rausch, meine Lieben, ist es ja eigentlich wie mit dem Weihnachtsessen im Familienkreis oder wie mit Kauf eines Fitnessabonnements: Es ist immer nur am Anfang lustig. Man fühlt sich beflügelt, Jux und Dollerei schwingen das Zepter, ja ja, man amüsiert sich wie Bolle auf dem Milchwagen, aber plötzlich geht die Fahrt ungebremst dem kompromittierenden Showdown entgegen. Und am nächsten Tag fällt einem dann eine ganze Parkhausdecke auf den Kopf. Man fühlt sich wie der einsamste Mensch der Welt – und je nach dem, wie man sich im Rausch aufgeführt hat, wär’ man zuweilen auch ganz zufrieden, wenn man jetzt auf einen anderen Planeten auswandern könnte – oder zumindest in eine andere Stadt, nicht wahr.

 


MEIN Fazit aus dergestaltigen Erlebnissen sei jedenfalls hier an dieser Stelle: Wenn wir in hedonistischer Manier die Becher oder anderes schwingen, dann wird der Lustgewinn meistens nicht dadurch gesteigert, dass man bis zum Schluss mitmacht. Man bleibt ja im Kino auch nicht jedes Mal bis zum Abspann sitzen, nicht wahr? Natürlich sagt man, „dem Glückseligen schlägt keine Stunde“, aber leider ist es ja so, dass die Geschwindigkeit, mit der sich die Vernunft im Rauschzustand verabschiedet, umgekehrt exponential zur guten Laune wächst. Und wie es dann in diesem losgelösten Höhenflug zum Beispiel mit so Spassbremsen wie „Safer Sex“ aussieht, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit, nicht wahr. Auch wenn man dafür eine viel grössere Spassbremse in Kauf nimmt.

Also: Passt auf Euch auf!

Prösterchen! Stösschen! Zum Wöhlerchen!
Eure Tante Hildegard

 

 

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Tante Hildegard Radio Talk 3
Meine Wangen begannen zu glühen – na ja, und meine Zunge auch. Mit jedem Beerchen wurde ich redseliger, die anderen Gäste stiller, meine Bewegungen ausladender und als ich mich endlich in eine etwas bequemere Lage gebracht hatte, war da plötzlich das besorgte Gesicht der Gastgeberin über mir, die mich mit bestimmter Stimme anwies, meinen Liegeplatz unter dem Buffet doch bitte mit dem Gästebett des Hauses zu tauschen. Kinder, was war das peinlich. Ich mag gar nicht daran denken, was für eine besinnungslose Rauschkugel ich da abgegeben haben muss, ich wollte sterben vor Scham, meine Herren!!!
     
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