Meine Lieben,
was ist los im Fitnesstudio? - Herrschaften, es ist an
der Zeit, ein ernstes Thema anzusprechen.
Nicht ganz zufällig komme ich heute auf dieses Thema zu sprechen, denn
meine liebe Freundin Margarethe, die seit Jahren in einem solchen
Etablissement
putzt, war letzte Woche unpässlich, und ich sprang für sie ein,
wozu hat man den Freunde, mein Gott. Dies, meine Lieben,
verschaffte mir ein
Erlebnis der bizarren Sonderklasse, das kann ich euch sagen.
Das fängt schon mal bei der Geräuschkulisse an, gell. Da haben wir zum einen dieses kurzatmige Dauerhächeln, das man eigentlich nur von Gebärenden kennt, die gerade in den Presswehen liegen. Dazwischen tiefe langgezogene Seufzer, bei welchen unklar ist, ob sie bodenloser Glückseligkeit oder eher dunkelster Resignation entspringen. Und dann, am allerpeinigendsten, diese existentiellen Todesstöhner, bei denen man doch ganz zwangsläufig an eine Person denken muss, die unter arger Verstopfung leidet. Ich kann euch sagen, ich fiel von einer Ohnmacht in die andere, als ich da vor mich hin fegte.
Jedes Mal, wenn ich schon dachte, es sei vorbei, dann zerriss von Neuem so
ein archaischer Kraftschrei die liebliche Hintergrundmusik, und
ich schreckte
hoch, bereit, entweder sofort erste Hilfe zu leisten, oder bei
einer unvermittelten
Spontangeburt zu assistieren. Gott im Himmel, Jungs, muss das sein??? Tut
euch was weh? Ich meine: Man weiss ja, dass Schönheit leiden
muss –
aber grad sterben? Lasst doch dieses Geschrei beiseite, was soll denn das,
Mensch?! Man kann diese Maschinen ja auch leichter einstellen, hab ich mir
sagen lassen. Muss denn jeder immer gleich daher kommen wie Flash
Gordon?
Ich will euch jetzt mal was sagen Jungs: Mein Geschmack ist das ja nicht! Und ich denke doch, dass ich diesbezüglich äusserst repräsentativ bin, nicht wahr. Was soll denn an diesen steinharten Körpern lustvoll sein, bitte? Schlägt man sich nicht den Kopf schon oft genug an Türen und Regalen an, die plötzlich im Weg sind? Wer will sich denn da noch Beulen an einem Marmorhintern holen, bitteschön?!
Und bei der Gelegenheit sag ich auch gleich noch ein Wort zu den
Hunger-Jungs
von der Magerquark-Fraktion, für die Fett in der Nahrung
eine grössere
Bedrohung ist, als ein Flugzeugentführer: Ich weiss beim besten Willen
nicht, was am Kokain-Look sexy sein soll. Oder kennt irgendjemand wen, der
schon mal Lust verspürte, mit Iggy Pop den Beischlaf zu vollziehen? Na
also. Fitness, wenn ich das schon höre. Fit for Fun? Wohl eher Fit for
Magenknurren! Wichtiger als ein Körper., bei dem jeder zu
mir hinguckt,
ist vielleicht doch, dass ich zuerst selber zu mir guck. Und zwar
nicht bloss
auf den da im Spiegel, sondern vielmehr auf meine Gesundheit, die ja sowohl
bei Extremsport wie auch bei Extremhunger auf der Strecke bleibt. Auf meine
Fähigkeit, zu geniessen – gibt’s die überhaupt noch,
oder bin ich eigentlich 24 Stunden pro Tag am Repräsentieren
eines Powerlebensgefühls,
unverschämt sexy und so. Auch wenn man mit Esoterik-Messen
und Mandala-Malkursen
nichts am Hut hat, kann man zwischendurch ruhig auch mal auf seine innere
Stimme horchen. Aber die kann man natürlich bei dem ganzen
Kraftgeschrei
kaum hören.
Ich, meine Lieben, schlage darum vor, dass wir uns jetzt alle mal wieder ein bisschen entspannen und uns lustvoll ein Sahneschnittchen gönnen.
Eure Hildegard.