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       homo
    elektrik enzyklopädie       | 
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Disco. 1. Tanzhalle, Diskothek, in der man zur
        Schallplattenmusik tanzt. Die Klangregie führt ein Discjockey, der
        durch seine Auswahl und durch die Art seiner Zwischentexte die Atmosphäre
        wesentlich beeinflusst. Diskothek als der halbdunkle, von Stroboskopen
        und Laserstrahlen belebte Vergnügungsort erfüllt den Wunsch
        nach Zerstreuung in der Anonymität
          und befriedigt auch den Narzissmus einer luxusgewohnten, perspektivlos
          gewordenen großstädtischen Jugend in der spätbürgerlichen
          Welt. Zu den Auswirkungen einer Disco-Ära gehört nicht zuletzt
          ein neues Selbstverständnis von Homosexuellen, zu deren Treffpunkten
          vielfach die Diskohallen wurden (zum Beispiel "Metropol" in
          Berlin). Die aseptische Ideologie der Disco-Kultur (oder -Unkultur)
          schlägt
          sich in dem Film Saturday Night Fever gut wieder. Der Münchener
          Psychologe Henner Ertel kommentierte (Hör Zu, Hamburg): "Die
          Diskothek ist ein Krankheitssymptom unserer Gesellschaft. Junge Leute
          fliehen unter Menschen, um der Vereinsamung zu entkommen. Doch der
          Effekt ist makaber: Die Disco-Besucher finden in der Anonymität
          nur flüchtigen
          Kontakt. Sie wollen weg von der Vermassung, aber sie werden in der
          Disco wieder in die Masse zurückgestoßen. Sie begeben sich
          in das Fest der Individualisten, weil sie die Selbstdarstellung und
          das Extravagante lieben, aber sehnen sich gleichzeitig nach Kontakten
          zu Gleichgesinnten. Sie suchen nach dem Du und nach dem Ich. Und das
          ist unvereinbar. So sind die meisten Disco-Besucher nicht mehr in der
          Lage, Kontakte zu schließen.
          In Phon-Hagel und Lichterfluten gaukeln sie sich selbst etwas vor.
          Dabei schauspielern sie, wollen nur selbst bewundert werden, weil sie
          im Alltag keine Selbstbestätigung mehr finden und unfähig
          sind, echte Gefühle zu zeigen. Denn der Disco-Besucher gilt als ängstlich
          und aggressiv.Das begünstigt natürlich privat das Scheitern
          von Beziehungen. Ein Buch zu lesen oder sich mit der Freundin zu streiten,
          ist immer noch effektiver als ein Disco-Besuch." 
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    Zitat
            aus: Kneif, Tibor: Sachlexikon Rockmusik. Rowohlt Verlag, Hamburg,
            1978. [Überarbeitete
            und erweiterte
            Ausgabe 1980] 
 
 
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