Mit Rainbow Trains durch die alte Welt    
       
 
Es mag vielleicht wie eine naive Frage klingen, aber koennen wir gerade einen kulturellen Wandel beobachten?
Bis vor kurzem dachte zumindest das ‚queere’ Herz bei Regenbogenfahnen an die eigens konstruierte gesellschaftliche Minderheit und weniger an den Weltfrieden.
Und heute: Pace oder neudeutsch Peace auf Idenditaetsuntergrund! Erst machte der boese kapitalistische Kommerz aus einer sexuellen Praeferenz eine Schublade in der Marketingabteilung und jetzt raubt auch noch die Friedensbewegung die letzten symbolischen Werte: ueberall entlang meiner Eisenbahnstrecke durch Europa „Pace“ auf Regenbogenfarben; an jedem dritten Haus, in Leipzig, Weimar, im katholischen Fulda, Frankfurt am Main, Mannheim und natuerlich im gruen-pazifisierten Freiburg.

   
 

 

Ankunft in Basel, die Fahnen sind auch in der Schweiz zu sehen. Hier aber erklingt quer durch die ganze Stadt zusaetzlich noch Blasmusik. Werde ich etwa von einem schwulen Dudelsackensemble begruesst?
Schon bald wird das Feiern einer kantonalen Eigenart durch die einheimische Bevoelkerung auch mir klar, Strassenmusikgruppen aller Altersklassen beleben das Zentrum und Veranstaltungen des oertlichen Theaters werden unfreiwillig mit diesen letzten Auswuechsen der alemannischen Fastnachtsbewegung umrahmt. Man stelle sich nur „Romeo und Julia“ mit einer jugendlich erschallenden Swingkapelle im Hintergrund vor.
Es scheint sich um einen Ausnahmezustand zu handeln. Die Digitalanzeige am Theaterplatz verkuendet, dass der die Medien bestimmende Krieg ein Angriffskrieg sei und damit gegen das Voelkerrecht verstosse. Nach jeder Vorstellung werden Artikel zum Stand der Dinge in der Krise verlesen und das gutsituierte Publikum bleibt oft auch sitzen.


   
 



Basel ist ansonsten eher ruhig, eidgenoessische Harmoniezustaende.
Verdient die Schweiz eigentlich wieder am Gemetzel?

Viellleicht haette Peter Arnett den Irakis diese Frage stellen sollen und waere der NBC erhalten gelbieben. Im Zug durch die Alpen werden sich die neuesten Entwicklungen aus dem in die McCarthy-Zeit zurueckfallenden Land erzaehlt.

 

   
 

 

«La prochaine arrêt: Genève.», schon vor Genf wird vermehrt die Herald Tribune gelesen; der Krieg ist eigentlich eine ziemlich konservative Angelegenheit. Wahrscheinlich sind die „Amis“ deshalb so pissed off ueber die Europaer. Sollen sie doch froh ueber ihr Erziehungsprojekt Deutschland sein. Es ist ja nicht so, dass es dort kein Schlachtinteresse gabe, pazifistisches Ringelrein deutscher Massen ist fuer die Welt allemal entspannter, als ein Eisenbahnbau von Berlin nach Bagdad oder in eine entlegene polnische Gegend. Friedensmissionen fuer Hindukusch werden doch noch immer gern vom Fischer-Kommando wahrgenommen.

 

   
 

Die Schweizer haben es dagegen gut, dank der Verweigerung von Uerberflugrechten muessen sie nicht einmal mit erhoehten anglo-amerikanischen Flugverkehr kaempfen, im Gegensatz zu Frankreich, einer kleinen Grossmacht, welche schon lange ueber weapons of mass destruction verfuegt. Auch hier wehen die Friedenswimpel.

 

   
 

Endstation Marseille St. Charles. Der kuenstlerische Ausnahmezustand wird auch hier zelebriert. Die Oper laesst am Mittwoch die woechentliche Kriegssirenenprobe mit einer Inszenierung begleiten. „It’s all about fish.“, meint mein britischer Begleiter, der aussieht wie Michael Moore. Die Briten fuehlen sich zur Zeit wohl von allen verarscht, von Labour sowieso und von den Americans ebenfalls, muessen deren Streitkraefte doch inzwischen mehr Angst vor dem grossen Bruder und dessen wild-gewordenen Cowboy-Soehnen haben. Der Verfall des Empires zu einem Vasallenstaat schmerzt, zumal die Army ebenso eingesetzt wird, um der staerker werdenden Arbeitskaempfe auf der Insel Herr zu werden. Der Kriegseintritt verbietet aber jetzt erstmal sowieso jeden Streik, very clever indeed.


   
     
 

Die arabische Welt ist in Marsaille nicht weit, sie ist nicht nur auf der anderen Seite des Mittelmeers. Regenbogenfahnen koennten dort aber noch fuer schwul-lesbischen Extremismus gehalten und in diesen Tagen eventuell mit Steinigung geahndet werden, also besser nicht im Urlaub.

 

   

     
 

 

 

   
 

Oubliez la guerre! Je veux une bouteille de vin rouge pour ce moment. Le jour après, c’est une grève générale et une grosse manifestation pour les droites sociales en France. Et pour moi un café à la vieux port. Vive la hédonisme!

 

hans dampf, april 003

   
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